Theorie und Praxis der Biographieforschung

Unter Biographieforschung werden zunächst einmal Forschungsansätze verstanden, die als Datengrundlage Lebensgeschichten haben, also Darstellungen der Lebensführung und ihrer Deutung aus dem Blickwinkel derjenigen, die dieses Leben führen. Biographieforschung ist aber vor allem auch eine Forschungsperspektive, die sich mit Grundsatzfragen von Biographie/Autobiographie und Narration beschäftigt. In den Blick geraten damit institutionelle Regeln, kulturelle Muster, Alltagsverständnisse, soziale und diskursive Praktiken sowie ein Reflexionswissen, in dem das individuelle Leben (re-)konstruiert wird. Auch Texte und Textformate, die in Institutionen, Diskursen und Praktiken hervorgebracht werden, werden in dieser Analyseperspektive bedeutsam. Biographie in diesem Sinne ist nicht nur Ausdruck einer individuellen Identität, sondern verweist auf die kulturellen Muster der Selbstthematisierung und Identitätskonstruktionen.

Im Seminar werden wir uns vor allem mit methodologischen und theoretischen Positionen sowie Grundsatzfragen von (Auto-)Biographie und Narration beschäftigen. Wichtige Fragen werden sein: Was ist überhaupt das ‘Material’ der Biographieforschung? Wie wird Biographie als Sinnzusammenhang der Lebensführung konstituiert? Welche Funktionen haben (auto-)biographische Selbstpräsentationen für ihre Produzent_innen und Rezipient_innen? Wie authentisch sind erzählte Lebensgeschichten? Wie lässt sich das gestiegene Interesse an einer Selbstthematisierung - ob in Talk-Shows, auf privaten Homepages oder in autobiographischen Veröffentlichungen - erklären?

Neben diesen grundsätzlichen und theoretischen Diskussionen werden wir uns auch mit methodischen Implikationen einer rekonstruktiven Forschungslogik auseinandersetzen, in der mit biographischem Material gearbeitet wird. Prominent ist hier nach wie vor das narrative Interview. Neben Fragen der Datenerhebung geht es hier vor allem um die Theorie und Praxis der Datenauswertung. Dabei steht dann auch das konkrete Arbeiten am Textmaterial im Vordergrund: Das Anwenden von Auswertungsschritten und Analysetechniken, das Sammeln von Text- und Interpretationserfahrung sowie das kommunikative Validieren von Lesarten in der Gruppe. Das Seminar wird auch Raum bieten, eigene Forschungsideen und -fragen mit Blick auf Projektarbeiten, aber auch im Hinblick auf anstehende Qualifikations- oder Forschungsarbeiten zu entwickeln und zu diskutieren.

 

Teilnahmebedingungen für einen Leistungsnachweis

Referat / Sitzungsmoderation und Hausarbeit

 

Datenblatt
Semester: 
Wintersemester 2017/18
Ort und Zeit: 
5.052, Di 10:15-11:45
Beginn: 24.10.17
Sprache: 
Deutsch
ECTS MA: 
10.0

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