Warum wir kooperieren

In der soziologischen Theoriebildung kann man zu der Frage, wie Kooperation zwischen Individuen oder Gruppen entsteht, eine klassische von einer nachklassischen Position unter­scheiden. Die klassische Sozialtheorie geht davon aus, dass Werte, Normen oder Interessen konstitutiv für soziale Kooperation sind. Nachklassische Sozialtheorien gehen jedoch davon aus, dass es eine theoretische und praktische Alternative zu der klassischen Dichotomie von Werten und Normen versus Eigeninteressen gibt. Sie interessieren sich für nicht-normative und nicht-utilitaristische Erklärungen menschlicher Kooperation. Im Zuge der Interaktion und Kommunikation selbst vermag sich Kooperation und soziale Ordnung zu bilden und zu festigen, ohne dass es dafür unter hochmodernen Be­dingungen noch normative Garantien geben kann. Das Verknüpfen von Teilhandlungen zu einer Gesamthandlung ist dabei nicht nur ein kognitiv-praktischer, sondern vor allem auch ein affektiv-praktischer Prozess, in dem die gemeinsame Handlung den Status einer gemeinsamen affektiven Bedeutung erhält.

In dem Seminar wollen wir zum einen neueren soziologischen Konzepten nachgehen, die diese Perspektive betonen (etwa aus der Emotionssoziologie oder Theorien der Gabe). Zum anderen finden sich vielfältige interessante Anknüpfungsmöglichkeiten außerhalb der Soziologie: z.B. in der Primaten- und Kleinkindforschung (Tomasello), in der Philosophie (kollektive Intentionalität) oder in neurowissenschaftlichen und literaturwissenschaftlichen Thematisierungen von Empathie und Sympathie. Im Seminar wollen wir also nach neuen Überlegungen und Grundlegungen zu der alten soziologischen Frage fahnden, wie das Zusammenhandeln, also Kooperieren von Menschen möglich ist. Diese Fragestellung ist natürlich von besonderer Aktualität, da wir in globalen und interkulturellen Bezügen nicht mehr davon ausgehen können, dass wir automatisch über ein gemeinsames Set an Wissen, Werten und Normen verfügen.

Einführende Literatur

Breithaupt, Fritz (2009): Kulturen der Empathie. Frankfurt: Suhrkamp.

Tomasello, Michael (2010): Warum wir kooperieren. Berlin: edition unseld.

Datenblatt
Semester: 
Wintersemester 2012/2013
Ort und Zeit: 
Mittwoch, 12.15-13.45, R. 5.013
Beginn: 24.10. !
Sprache: 
Deutsch
ECTS BA: 
7.5

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