Phänomenologie der Maske

Auf Stadtplänen markiert das Emblem Maske Theater und andere Orte der Unterhaltungskultur, wir sprechen von Demaskierung, wenn wir das Aufdecken von Lügen meinen, verkleiden uns von Kindesbeinen an und diskutieren über die Relevanz von Burkas und Kopftüchern. Bedecken, verkleiden, verändern scheinen dabei die essentiellen Funktionen des diffusen Begriffs „Maske“ zu sein, hinter dem sich vieles verbergen kann, von der OP-Maske über die Uniform bis zu Clownsnase, aber auch Ungreifbares wie die Maske eines Rollenverhaltens.

Bei der Untersuchung dieses Phänomens geht es aber nicht allein um Täuschung, sondern vielmehr um Wahrnehmungsveränderung, um ein Eingreifen in die Wahrnehmung und Wahrnehmbarkeit von Mitmenschen, das mit unterschiedlichen Intentionen geschehen kann. Das Gesicht macht Menschen unterscheidbar und verantwortbar, das fehlende oder neue Gesicht kann ihn degradieren oder erhöhen. Masken können betonen, bedecken, tarnen schützen, kopieren, verändern oder als solche verstanden werden, ohne als Objekt vorhanden zu sein. In unterschiedlichen Zusammenhängen lassen sie Menschen zu Göttern, Tieren oder Spaßmachern werden und verhindern und ermöglichen bestimmte Handlungen.

Deutlich wird bei der Betrachtung verschiedener Maskenphänomene eine Auseinandersetzung mit der eigenen Umwelt (also Gesellschaft, spirituelles oder metaphysisches Umfeld, Umgebung etc.) und damit auch die Möglichkeit, Masken als soziale Phänomene und Grenzphänomene zu untersuchen: Die Wahrnehmung und Imagination der Umgebung und der eigenen Positionierung darin (z.b. Kosmologien, Gesellschaftstypen, Individualitätsideen oder Gefahren) scheint von der Entstehung der Maskenidee nicht zu trennen. Dass Masken und Machthierarchien zusammenhängen bzw. das Macht oft mit einem Interesse der Kontrolle der Maskenverwendung einhergeht, lässt sich an unterschiedlichen Beispielen zeigen. Auch heute werden wir immer wieder mit diesen Machtdiskursen konfrontiert, sei es in Debatten um Burkas oder um das Vermummungsverbot bei Demonstrationen oder um Identitäten im Internet. Masken sind mehr als Gegenstände und Begriffe, sie Verbildern das In-der-Welt-sein von Menschen in der Paradoxie des Zeigens und gleichzeitigen Verhüllens, der Trennung und Verbindung des Menschen von/mit seiner Umwelt.

Im Seminar wollen wir uns ausgehend von verschiedenen Theorien zur Maske, mit dem Gegenstand Maske und seinem Verhältnis zu Gesicht und Person befassen, verschiedene Maskenphänomene von Gesichtstätowierungen über Karneval bis zur Polizeiuniform beleuchten und die Maske schließlich als soziales Phänomen in ihrer Funktionalität betrachten. Dabei werden wir sowohl ältere Maskenformen als auch aktuelle Themen diskutieren und dabei sowohl an Texten arbeiten als auch in Selbstversuchen und Arbeitsgruppen forschen.

 

 

 

Vorläufige Literaturliste

 

  • Butler, Judith (2007): Das Unbehagen der Geschlechter, Suhrkamp Verlag: Frankfurt am Main.
  • Eliade, Mircea (1962): Marginalien zum Wesen der Maske, Antaios 4, S. 396-404.
  • Fischer-Lichte, Erika (2012): Performativität. Eine Einführung, Transcript Verlag: Bielefeld.
  • Forman, Werner/Rintschen, Bjamba (1967): Lamaistische Tanzmasken. Der Erlik-Tsam in der Mongolei, Koehler & Amelang Verlag: Leipzig.
  • Foucault, Michel (1997): Dies ist keine Pfeife, Carl Hanser Verlag: München.
  • Gehlen, Arnold (1962): Der Mensch, seine Natur und seine Stellung in der Welt, Athenäum-Verlag:  Frankfurt am Main [u.a.].
  • Goffman (2008), Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag, Piper Verlag: München.
  • Kirshenblatt-Gimblett, Barbara: Objects of Ethnography, in: Kirshenblatt-Gimblett (1998): Destination Culture. Tourism, Museums, and Heritage, University of California Press: Berkely, Los Angeles u.a.
  • Köpping, Klaus-Peter/ Rao, Ursula: Zwischenräume, in: Fischer-Lichte, Erika/Horn, Christian e.a. (Hrsg.): Ritualität und Grenze (2003), Francke Verlag: Thübingen, Basel.
  • Levi-Strauss, Claude (2004): Der Weg der Masken, Suhrkamp Verlag: Frankfurt a. Main.
  • Olschanski, Reinhardt (2001): Maske und Person. Zur Wirklichkeit des Darstellens und Verhüllens, Vadenhoeck& Ruprecht: Göttingen.
  • Sennett, Richard: (2000): Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität, Fischer Verlag: Frankfurt am Main.
  • Turner, Victor (2000): Das Ritual. Struktur und Anti-Struktur, Campus Verlag: Frankfurt am Main/New York.
  • Weihe, Richard (2004): Die Paradoxie der Maske. Die Geschichte einer Form, Wilhelm Fink Verlag: München.
Datenblatt
Semester: 
Wintersemester 2013/2014
Ort und Zeit: 
Donnerstag, 12.15-13.45, R. 5.012
Sprache: 
Deutsch
ECTS BA: 
5.0

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