Kultur erben

 Im Dezember 2012 wurde in Deutschland das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des »Immateriellen Kulturerbes der Menschheit« ratifiziert. Die Vertragsstaaten, die das Übereinkommen unterzeichnet haben, verpflichten sich, Maßnahmen zum Schutz des sich auf ihrem Staatsgebiet lokalisierten Intangible Cultural Heritage zu ergreifen. Diese können unter Umständen auch von einem zu diesem Zwecke ins Leben gerufenen internationalen Fonds unterstützt werden. Mit dem Übereinkommen werden die Aktivitäten der UNESCO zu Inventarisierung, Sammlung und Revitalisierung kultureller Traditionen und vom Aussterben bedrohter Sprachen in einem völkerrechtlich verbindlichem Rahmen umgesetzt. Von den nationalen Regierungen nominierte und einem internationalen Komitee ausgewählte Rituale, Tänze, Sprachen, Handwerkstechniken etc. werden auf drei öffentlichen Listen verzeichnet, auf denen jeweils repräsentative, bedrohte und sich auf gutem Wege befindliche Kulturtechniken angeführt sind – darunter die französische Küche, der mongolische Kehlkopfgesang oder der belgische Karneval von Binche. Die deutsche Bundesregierung hielt sich bis 2012 mit der Ratifizierung des Übereinkommens zurück und die Thematik wurde nicht nur hinter den Türen des Parlaments, sondern auch in der Presse und unter potentiellen Anwärtern auf das Prädikat »Kulturerbe« verhandelt: Was können wir als »deutsches« kulturelles Erbe festlegen und was ist unter immateriellem Erbe im einzelnen zu verstehen? Auf welche Traditionen sind wir stolz und welche möchten wir lieber vergessen? Gibt es auch inter- oder transkulturelles Kulturerbe? Dass der Schutz immaterieller Kultur nun doch in Deutschland betrieben wird, ist ein Anlass, sich dem Thema auch aus der Sicht der Soziologie zu nähern. Im Seminar werden wir uns zunächst sowohl kulturtheoretisch als auch im Bezug auf aktuelle internationale und regionale Debatten mit zahlreichen Fragen beschäftigen, die durch das Übereinkommen aufgeworfen werden. Was sind die Hintergründe dieses Übereinkommens und welche Akteure verbergen sich hinter der Abkürzung UNESCO? Wie hat sich der Weg vom materiellen zum immateriellen Kulturerbe vollzogen? Wie können flüchtige Handlungen geschützt werden, welche Konsequenzen kann dieser Schutz mit sich bringen und wie wird Kultur für schützenswert erklärt? Kann diese Selektion als »repräsentativ« gelten? Durch den theoretischen Diskurs werden uns u.a. Ideen von Aleida Assman, Claude Levi-Strauss, Byung-Chul Han, Homi Bhaba begleiten. Darüber hinaus werden wir uns mit »repräsentativen« und »nicht repräsentativen« kulturellen Praktiken außereuropäischer Regionen beschäftigen sowie den aktuellen Diskurs in Deutschland beobachten.

Datenblatt
Semester: 
Sommersemester 2013
Ort und Zeit: 
Dienstag und Donnerstag, 16.15-17.45 Uhr, R. 5.012
Beginn: 16.4., letzter Termin 4.6.2013
Sprache: 
Deutsch
ECTS BA: 
5.0

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