Phänomenologie und Photographie

Die Photographie ist heute mehr denn je ein weitverbreitetes, allgegenwärtiges Medium in der gesellschaftlichen Kommunikation. In der Soziologie führt sie allerdings, in methodisch wie theoretischer Hinsicht, immer noch ein Schattendasein. Zwar haben bekannte Soziologen wie Pierre Bourdieu oder Howard Becker die Photographie systematisch in ihrer Forschung verwendet, doch eine breitere grundlagentheoretische und methodologische Reflexion der Möglichkeiten der Photographie steht bis heute aus. Immer deutlicher tritt aber hervor, dass die Soziologie sich bei der Analyse der gesellschaftlichen Realität nicht nur auf Textquellen beschränken kann, denn visuelle Medien wie die Photographie oder der Film gewinnen in der Gegenwartsgesellschaft mehr und mehr an Relevanz. Will man aber von Bildern nicht überrannt oder manipuliert werden, muss man das landläufige passive Verhältnis zu Bildern in ein aktives umkehren und lernen, das Visuelle und seine Möglichkeiten theoretisch zu verstehen und hermeneutisch zu entschlüsseln.

Im Seminar wird insbesondere die Differenz zwischen co-präsenter leiblicher Erfahrung und der Wahrnehmung der Photographie, die Differenz zwischen Körper-Leib und bildlichem Medium theoretisch erkundet: Wenn eine Photographie als visuelle technische Spur von beobachteten Ereignissen zu verstehen ist – wie viel sinnliche Dichte und Präsenz ist dann in der Photographie möglich? Was unterscheidet die Wahrnehmung eines räumlich und zeitlich ko-präsenten Anderen von der Wahrnehmung eines Anderen im Bild? Und welche Möglichkeiten birgt die Photographie, die Präsenz und Aura einer Person zu zeigen, zu verdichten oder gar herzustellen? Welche Effekte hat das Wechselspiel von Präsenz und Absenz in der Photographie?

Im Anschluss an die Erarbeitung theoretischer Grundlagen der Phänomenologie sollen im Seminar Fragen nach dem Wechselspiel von Nähe und Distanz in der Photographie, nach „Künstlichkeit“ und „Authentizität“ des Wahrnehmungseindrucks, sowie nach den sozialen und leiblichen Differenzen von face-to-face-Wahrnehmungen und bildlichen Repräsentationen untersucht werden. Diesen theoretisch-methodologischen Frageperspektiven wird auch anhand von Beispielbildern aus der zeitgenössischen Photographie nachgegangen.

Achtung! Beginn am 23.04!

 

Literatur zum Einlesen in den Gegenstand:

Flusser, Villém 1983: Für eine Philosophie der Fotographie, Göttingen: European Photography

Pilarczyk, Ulrike/Mietzner, Ulrike, 2005: Das reflektierte Bild. Die seriell-ikonografische Fotoanalyse in den Erziehungs- und Sozialwissenschaften, Bad Heilbrunn: Klinkhardt

Raab, Jürgen 2008: Visuelle Wissenssoziologie, Konstanz: UVK

Raab, Jürgen/Pfadenhauer, Michaela et al. (Hg.) 2008: Phänomenologie und Soziologie, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften

 

 

Datenblatt
Semester: 
Sommersemester 2013
Lehrende: 
Ort und Zeit: 
Dienstag, 12.15-13.45 Uhr, 5.013, Beginn am 23.04
Sprache: 
Deutsch
ECTS BA: 
7.5

Mitarbeiteranmeldung (nur für registrierte Benutzende)