Diskurs- und Praxistheorien

Diskurs- und Praxistheorien werden in der Soziologie derzeit, wenn nicht als konkurrierend, so doch als an grundsätzlich unterschiedlichen Aspekten sozialer Phänomene interessiert wahrgenommen. Diskurse definieren nicht nur, was sagbar ist und was nicht gesagt werden kann, und bestimmen so die Kategorien, in denen wir die Welt wahrnehmen und deuten, sie legen damit auch bestimmte Handlungsweisen und Subjektpositionen nahe. Diskurstheoretische Perspektiven und diskurstheoretische Forschungspraxis zielen demnach auf Wissensformationen, symbolische Ordnungen und Subjektkonstitutionen. Demgegenüber fragen praxistheoretische Ansätze nach einer eigenen, inneren Logik der Praktiken selbst, die manche Handlungen wahrscheinlicher werden lässt als andere, dem impliziten Wissen und der körperlichen Präsenz der Akteure genauso wie nach Artefakten, die uns durch die materielle Bestimmtheit, mit der sie uns in einer Situation entgegentreten, bestimmte Handlungen evozieren.

Das Seminar stellt theoretische Konzepte und empirische Forschungsstrategien zentraler Diskurs- und Praxistheorien sowie deren VertreterInnen vor; es fragt nach den je eigenen Perspektiven beider Theorierichtungen ebenso wie nach gegenseitigen Abgrenzungen und Möglichkeiten der wechselseitigen Ergänzung. Gemeinsam wollen wir ergründen, mit welchen empirischen Methoden und welchem Begriffsinstrumentarium Diskurs- sowie Praxistheorien jeweils soziale Phänomene empirisch erforschen sowie theoretisch einholen wollen und was genau diese Theorien dabei eigentlich unter "Diskurs" bzw. unter "Praxis" verstehen. Schließlich wird kritisch zu prüfen sein, ob Diskurs und Praxis tatsächlich zwei getrennte Wirklichkeitsbereiche sind, die einzeln untersucht und im Anschluss noch auf einander bezogen werden können, oder ob sie nicht vielmehr als theoretische Paradigmen unterschiedliches Licht auf ein und dasselbe Phänomen werfen.