Dinge sprechen lassen. Die ethnographisch-hermeneutische Objektmethode

Dinge - persönliche Objekte aller Art -  kann man soziologisch zum Sprechen bringen, wenn man sie methodisch richtig befragt. Denn Dinge zeugen in verschiedener Art von der sozialen Identität des Menschen, von seinem Status, seinem Geschmack, seinen ästhetischen Präferenzen sowie seinen biografischen Erfahrungen und Wertsetzungen. Die wichtigen Dinge des Menschen verweisen darüberhinaus häufig auch auf relevante Beziehungen oder Netzwerke.  Besonders spannend ist dabei ein kulturvergleichendes Vorgehen:  Wie viele und welche  Dinge besitzt man typischerweise? Welche werden häufig gebraucht und wofür? Welche Vorstellungen und Emotionen verbinden sich mit diesen Dingen? Wie spiegelt sich gesellschaftlicher Wandel darin wieder? Gibt es einen spezifisch modernen Fetischismus? Welche Dinge haben einen "heiligen Charakter" - und wirken identitätsbildend für das Kollektiv oder für den einzelnen Menschen? 

Im Seminar geht es um das Erlernen und Entwickeln einer objektbezogenen Methodik der Sozialforschung, die dem Bereich der qualitativen Methoden zuzuordnen ist. Die neue Objektmethode kombiniert klassische textbasierte Verfahren wie das Interview mit visuellen Forschungsätzen. Den Ankerpunkt dieser Methode bilden persönliche Dinge der Befragten. Fragt man die Menschen nach relevanten persönlichen Dingen, kann man einen guten Zugang zu wichtigen biografischen Ereignissen und Wendepunkten sowie zur Entwicklung der Identität gewinnen. Die Objekte widerum, wenn man sie richtig ‚befragt‘, erzählen vieles über ihre Besitzer: Sie sprechen von Milieu- und Schichtzugehörigkeiten, von symbolischen Praktiken, sie verraten Selbstverortungen im sozialen Raum, sie erläutern Präferenz- und Wertsetzungen ihrer Besitzer, und sie können auf tiefe Konflikte und Identitätskrisen expressiv verweisen.  Während in der Anthropologie und in der Ethnologie die Erforschung der sozialen Strukturen und kulturellen Kosmologien durch die Welt der Objekte und Artefakte etabliert ist, hat die soziologische Forschung hier einen neuen rekonstruktiven Ansatz zu gewinnen, der aufschlussreiche Erkenntnisse verspricht.

Im Seminar wollen wir die „Dingwelten“ verschiedener Milieus mit der neuen Objektmethode erforschen, die wir zuvor kennenlernen und einüben. Dafür ist ein Training im Erheben und in der Analyse narrativer Interviews und visueller Dokumente notwendig und Bestandteil des Seminars.  

Teilnahmebedingungen/Scheinerwerb

Regelmäßige Teilnahme, Lektüre der Texte und engagierte Mitarbeit, Referat, schriftliche Essays und Hausarbeit

Anmeldung erforderlich

Einführende Literatur

Bosch, Aida 2010: Konsum und Exklusion. Eine Kultursoziologie der Dinge, Bielefeld

Datenblatt
Semester: 
Sommersemester 2014
Lehrende: 
Ort und Zeit: 
Donnerstag, 10.15-11.45 Uhr
R. 5.013
Sprache: 
Deutsch
ECTS BA: 
7.5

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