Ökonomie und Ökologie: Zur Kritik des homo oeconomicus
Im Seminar geht es um eine Reflexion auf die Prämissen und Grundlagen der Theorie des homo oeconomicus. In den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zeichnet sich in jüngster Zeit vereinzelt ein Umdenken, eine Überprüfung und Kritik der theoretischen Modellannahmen ab. Allgemeingüter wie die Ökologie und das Sozialwesen blieben bislang aus der Ökonomie weitgehend ausgeschlossen, was zu falschen Modellannahmen und zu einer falschen Praxis des Wirtschaftens führt.
In die modellhaften Berechnungen und Betrachtungen ökonomischer Prozesse gehen bislang nur systeminterne Kosten- und Nutzenrechnungen ein. Weitgehend außerhalb der Betrachtungen bleiben jedoch ökologische und soziale Ressourcen, die notwendig nicht nur für den Wirtschaftsprozess, sondern für menschliche Gesellschaft insgesamt sind. Die Wirtschaft nutzt natürliche Ressourcen wie Wasser, Bodenschätze, Luft zum Zwecke der privaten Gewinnmaximierung und bürdet die Risiken und Schäden, die durch die Produktion entstehen, der Allgemeinheit auf. In der gleichen Weise werden soziale Ressourcen wie Qualifikation und Fähigkeiten, Vertrauen und funktionierende Institutionen genutzt. Die politischen und ökologischen Kosten an den Gemeingütern werden im doppelten Sinne externalisiert: Alle Menschen leiden unter verschmutzter Luft, ruinierten Landschaften und vergifteten Gewässern; alle zahlen den Preis dafür mit einem Verlust an Lebensqualität. Die bezifferbaren Kosten, die durch diese Schäden entstehen, Kosten für Säuberungs-und Renaturierungsprojekte werden zum großen Teil von Steuergeldern, also von allen Bürgern, bezahlt. Die falschen Prämissen der Theorie wirtschaftlichen Handelns führen auf diese Weise zu einer falschen Praxis mit irreversiblen, bitteren Folgen für menschliche Gesellschaft. Verantwortung verschwindet im System. Doch ist das Wirtschaftssystem nur ein Teilsystem innerhalb des ökologischen Systems und kann langfristig nicht funktionieren ohne eine angemessene Einpassung in die ökologischen Kreisläufe; ebenso kann es nicht funktionieren ohne eine angemessene Einpassung in die Gesellschaft.
Im Seminar befassen wir uns mit neueren Ansätzen, die auf diese Prämissen wirtschaftlichen Handelns reflektieren. Im zweiten Teil geht es um Entwürfe für neue Formen des Wirtschaftens, die in die ökologischen Kreisläufe eingebettet sind.
Literatur:
Barnes, Peter 2006: Capitalism 3.0. A Guide to Reclaiming the Commons. San Francisco
Braungart, Michael/McDonough, William 2003: Einfach intelligent produzieren. Cradle to Cradle: Die Natur zeigt, wie wir die Dinge besser machen können, Berlin
Hawken, Paul/Lovins, Amory/Lovins, Hunter 2000: Öko-Kapitalismus. Die industrielle Revolution des 21. Jahrhunderts. Wohlstand im Einklang mit der Natur. München
Daly, Hermann E./Farley, Joshua 2004: Ecological Economics: Principles and Applications. Washington D.C.
Skidelsky, Robert/Skidelsky, Edward 2013: Wie viel ist genug? Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. München
Weber, Andreas 2007: Alles fühlt. Mensch, Natur und die Revolution der Lebenswissenschaften. Berlin
Weber, Andreas 2008: Biokapital. Die Versöhnung von Ökonomie, Natur und Menschlichkeit. Berlin Verlag