Gewerkschaften in Deutschland zwischen Einheit und Pluralismus

Die Entwicklung der deutschen Gewerkschaften Mitte des 19. Jahrhunderts wurde maßgeblich von verschiedenen historischen und sozialen Veränderungen geprägt. Trotz einer ähnlichen sozialen Lage der Arbeiter im entstehenden Kapitalismus vereinigten sich ihre Interessen unter verschiedenen Vorzeichen. Die Solidarität unter den Arbeitnehmern entwickelte sich entweder entlang bestimmter Berufe, politischer und religiöser Anschauungen oder einzelner Industriezweige. Mit der NS-Diktatur erlebten diese gewerkschaftlichen Entwicklungspfade jedoch eine vehemente Zäsur.

Erst nach dem zweiten Weltkrieg etablierte sich ein stabiles und einheitliches System der industriellen Beziehungen, das als Modell Deutschland internationale Bekanntheit erlangte. Duale Interessenvertretung, Flächentarif und Einheitsgewerkschaften stellen bis heute die Strukturmerkmale dieses Modells dar. Nichtsdestotrotz unterliegt das deutsche Modell seit den 1990er Jahren einem krisenhaften Wandel, indem die etablierten Einheitsgewerkschaften durch neue Gewerkschaftsakteure herausgefordert werden. Diese „neuen“ Akteure – Berufsgewerkschaften – sind schlagkräftige und durchsetzungsfähige Konkurrenten. In den Bereichen, in denen Berufsgewerkschaften entstehen, geraten etablierte Einheitsgewerkschaften in die Defensive, wobei sie sukzessive verdrängt werden. Dieser Gewerkschaftswettbewerb ist ein neues Phänomen in den industriellen Beziehungen in Deutschland das eine besondere Aufmerksamkeit verlangt.

Im Seminar behandeln wir neben der Entwicklung des deutschen Gewerkschaftsmodells das Auftreten des Gewerkschaftswettbewerbs, hervorgerufen durch Berufsgewerkschaften. Mithilfe von Fallbeispielen aus dem Schienenverkehr, des Gesundheitswesens sowie des Luftverkehrs lernen wir die wichtigsten Berufsgewerkschaften kennen. Dabei untersuchen wir die Voraussetzungen für ihr Entstehen, ihr Machtpotenzial und ihre Auswirkungen auf die etablierten Einheitsgewerkschaften sowie das Gewerkschaftsmodell Deutschland.

Datenblatt
Semester: 
Sommersemester 2017
Ort und Zeit: 
5.012, Di 16:15-17:45
Sprache: 
Deutsch
ECTS BA: 
5.0

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