Soziologie des Alter(n)s und der Medizin

Vor allem in westlichen Industrieländern erreichen die Menschen ein immer höheres Alter. Es liegt heute in den modernen westlichen Gesellschaften um 50 Prozent höher als noch im Jahr 1900. Man teilt nun in der politischen Öffentlichkeit das Alter in ein junges, gesundes oder drittes Alter und in ein viertes Alter ein, das durch Krankheit, Abhängigkeit und Pflegebedürftigkeit gekennzeichnet ist. Chancen aktiver Lebensgestaltung im Alter werden damit Risken der Pflege und Gebrechlichkeit im hohen Alter gegenübergestellt.

Dabei kommt der Medizin und dem Gesund­heits­wesen eine Schlüsselstellung für den Umgang mit Altern als Prozess und mit alten Men­schen als wichtiger Bevöl­ke­rungsgruppe zu. Im Unterschied zu früher nimmt die moderne Medizin und Biogerontologie heute eine veränderte Rolle ein, da sie – glaubt man euphorischen Stimmen – kurz davor steht, massiv auf den Alterungsprozess von Menschen einzuwirken, sei es durch die Verlangsamung des Alterns, sei es gar in einem immer weiter Vorrücken der maximalen Lebensspanne. So ist die sogenannte Anti-Aging-Medi­zin gegen­wärtig im Be­griff, auf der Grundlage neuer Ein­sichten in molekularbiologi­sche Mecha­nis­­men des Alte­rungsprozes­ses die Verlän­ge­rung und Verbesserung des mensch­lichen Le­bens im Alter gezielt voran zu treiben. Die sozialen und kulturellen Folgen derartiger Entwicklungen sind derzeit noch völlig unabsehbar.

Im Seminar wollen wir uns deshalb einerseits mit einschlägigen Theorien und empirischen Ergebnissen der Alternssoziologie befassen, und zum anderen der Frage nachgehen, inwieweit die moderne Medizin unser Konzept des Alterns kulturell prägt bzw. aktuell neu formiert. Der Rolle der Medizin als kulturprägender Kraft soll somit soziologisch auf den Grund gegangen werden.

 

Zur Einführung empfohlen:

Dyk, Silke van /Stephan Lessenich (Hg., 2009): Die jungen Alten. Analysen einer neuen Sozialfigur. Frankfurt/New York: Campus, S. 316-339.

Knell, Sebastian /Marcel Weber (Hg., 2009): Länger leben? Philosophische und biowissenschaftliche Perspektiven. Frankfurt a.M.: Suhrkamp,

Lindemann, Gesa (2009): Das Soziale von seinen Grenzen her denken. Weilerswist: Velbrück.

Turner, Bryan S. (2009): Can We Live Forever? A Sociological and Moral Inquiry. London: Anthem Press.

Vincent, John A. (2006): Ageing Contested: Anti-ageing Science and the Cultural Construction of Old Age. Sociology 40, Nr. 4, S. 681-698.

 

Datenblatt
Semester: 
Sommersemester 2011
Ort und Zeit: 
R. 5.012, Mi 10.15-11.45 Uhr
Sprache: 
Deutsch
ECTS BA: 
5.0

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